Zum 1. Januar 2022 ist Prof. Dr. Manuel Spitschan dem Ruf der TUM auf die neue Rudolf Mößbauer Professur für Chronobiology & Health in Kooperation mit dem Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen gefolgt. Nach seinem Studium der Psychologie an der University of St. Andrews in Schottland (2009-2012) und seiner Promotion an der University of Pennsylvania in den USA (2012-2016) war er von 2016 bis 2017 Postdoc im Bereich „Psychiatry and Behavioral Sciences“ an der Stanford University (USA). Anschließend zog es ihn als Research Follow ans Department of Experimental Psychology der University of Oxford in England, zuletzt war er dort seit 2020 als University Research Lecturer tätig.
Prof. Spitschan ist Mitglied im Technischen Komitee 1-98 der Internationalen Beleuchtungskommission (CIE TC 1-98). Er ist zudem gewähltes Mitglied der Daylight Academy.
Lieber Herr Prof. Spitschan, Sie sind ab sofort zum einen am Max-Planck-Institut für biologische Kybernetik in Tübingen tätig, zum anderen Inhaber der neuen Rudolf Mößbauer Professur für Chronobiology & Health an der TUM. Wie muss man sich Ihre Tätigkeit in dieser Doppelfunktion vorstellen?
„Ich leite hier in Tübingen eine Max-Planck-Forschungsgruppe, die Anfang Januar ihre Arbeit aufgenommen hat. Wir sind noch in der Aufbauphase, ab 1. April kommt dann auch Personal hinzu. Meine neue Position ist eine gemeinsame Berufung von der Max-Planck-Gesellschaft auf diese Gruppe und der TU München auf die Tenure Track Assistant Professorship. Dieses Modell mit der Kooperation der beiden Einrichtungen gab es schon mehrfach, um eine langfristige und attraktive wissenschaftliche Perspektive zu ermöglichen. Daraus sollen sich aber keine zwei Inselgruppen an zwei Einrichtungen bilden, sondern eine integrierte Forschungsgruppe.“
Was werden Ihre Forschungsschwerpunkte am Max-Planck-Institut und an der Fakultät für Sport- und Gesundheitswissenschaften (SG) sein?
„In meiner Forschung geht es um den Einfluss von Licht auf menschliche Physiologie und menschliches Verhalten. Das sind einerseits Reaktionen auf Licht, wie zum Beispiel, dass sich unsere Pupille weitet, wenn es dunkel ist und sie sich verkleinert, wenn es hell ist. Wir haben einen Hormonhaushalt, der auch durch den Licht- und Dunkel-Wechsel gesteuert wird. Das kann man auf mehrere Arten erforschen. In der Forschungsgruppe in Tübingen wird meine Gruppe mechanistische Studien durchführen, also Studien im Labor, bei denen wir kontrollieren, wie hoch zum Beispiel die Lichtstärke oder die Netzhautbeleuchtung ist. Diese Experimente sollen Fragestellungen beantworten, bei denen es um biologische Kapazitätsunterschiede geht. Was macht zum Beispiel Licht mit dem menschlichen Hormonhaushalt und unserem Schlaf? In München haben wir maßgeblich andere Ziele, hier wollen wir Antworten auf die Fragen finden, was die Ergebnisse für die ‚echte‘ Welt bedeuten. Wie wirkt Lichtexposition bei Menschen, die sich nicht im Labor befinden? Wie kann man Lichtexposition dahingehend optimieren, dass das zirkadiane System und die Physiologie unterstützt werden? Hier kann man natürlich ganz andere Methoden anwenden und eher Feldstudien mit Menschen durchführen, bei denen man verschiedene Biomarker anwenden kann. Dazu verfolgen wir auch einen gesundheitspsychologischen Ansatz, bei dem wir untersuchen, wie man Menschen ein Werkzeug geben kann, um sich optimal guten Lichtbedingungen auszusetzen. Wie kann man Verhalten steuern und optimieren, damit die Lichtexposition auch optimal ist, das heißt, abends kein Licht und tagsüber viel Licht?“
Was war ausschlaggebend für Ihre Entscheidung, von der University of Oxford auf dieses Modell zu wechseln?
„Ich komme aus Deutschland und freue mich, wieder nach Deutschland zurückzukehren. Ich habe meine gesamte studentische und wissenschaftliche Karriere im Ausland absolviert, mit Studium in Schottland, Promotion und Postdoc in den USA sowie in England. Insofern war Deutschland für mich natürlich ein attraktiver Standort. Was mich ganz konkret an dem Modell interessiert, ist die Möglichkeit, zwei Brücken zwischen der Arbeit im Labor und der Anwendung in der realen Welt zu schlagen. Insbesondere in einem Gebiet, in dem ein Informationsvakuum herrscht, ist dieser Brückenschlag umso wichtiger, um zu verstehen, was zum einen die biologische Kapazität, aber zum anderen auch die Relevanz in der ‚echten‘ Welt ist. Das sehe ich in der gemeinsamen Berufung widergespiegelt. Die TUM hat zudem hervorragende Möglichkeiten, auch in weitere annähernde Fachgebiete eine Brücke zu schlagen. Es gibt einige Kolleg_innen an der Fakultät, bei denen ich sehr gute Anknüpfungspunkte sehe. Was ich langfristig auch sehr spannend finde und was auch immer wieder thematisiert wird, ist der Bereich der zirkadianen Rhythmik und wie die innere Uhr auf verschiedene Prozesse in unserer Gesellschaft wirkt. Diese Thematik kann man weder in den Lebenswissenschaften noch in der Medizin oder der Psychologie ausklammern. Es gibt beispielsweise Studien, die belegen, dass bestimmte Formen der Krebstherapie von der Tageszeit abhängen. Das Thema innere Uhr besitzt viele Verknüpfungspunkte mit Professor_innen in der eigenen, aber auch in anderen Fakultäten.“
Was bedeutet Ihnen der Ruf an die TU München?
„Der Ruf bedeutet mir sehr viel, da es eine sehr große Auszeichnung und Bestätigung der bisherigen Qualität meiner Arbeit ist. Dafür bin ich sehr dankbar. Ich schätze die Möglichkeiten, die dadurch entwickelt werden können, sehr. Die TUM ist eine der führenden Universitäten in Europa und ein toller Ort, um diese Forschung voranzubringen.“
Welchen Eindruck haben Sie bislang von der Fakultät SG?
„Ich konnte schon vor der eigentlichen Berufung einen guten Eindruck durch verschiedene Gespräche mit den zukünftigen Kolleg_innen gewinnen. Dabei habe ich alle als sehr kooperativ und gesprächsoffen wahrgenommen, was natürlich sehr wichtig ist. Ich habe gemerkt, dass man von Personen umgeben ist, die freundlich und interessiert, aber insbesondere auch wissenschaftlich hervorragend sind. Zudem habe ich das Gefühl gewonnen, dass es eine Art Fakultätsgeist gibt. Mit dem aktuell noch laufenden Umzug nach Tübingen und an die TUM gab es zwar bisher eher wenige persönliche Kontakte, ich habe aber den Eindruck, dass es sehr kollegial zugeht und die Fakultät ein schöner Ort ist, um zu forschen.“
Worauf freuen Sie sich mit Blick auf Ihre Arbeit an der Fakultät SG am meisten?
„Tatsächlich freue ich mich sehr darauf, Lehre durchzuführen. Die meiste Lehre, die ich bislang getätigt habe, war im Bereich der Psychologie. Deshalb freue ich mich auf die Herausforderung, mich noch mehr im Bereich der Gesundheitswissenschaften zu verorten, psychologische bzw. physiologische Ansätze zu verwenden und dadurch vielleicht einen neuen Impuls zu setzen. Es ist schön, an einer Fakultät zu sein, an der die Ansätze sowohl der Lehre als auch der Forschung sehr divers sind, da die Themen Gesundheit und Sport viele Fachdisziplinen vereinen. Das ist etwas komplett Neues für mich, da ich bislang hauptsächlich in der Psychologie unterwegs war.“
Auf welche Themen werden Sie in der Lehre den Schwerpunkt setzen? Welche Lehrveranstaltungen wird Ihre Professur anbieten?
„Ich werde ab dem Sommersemester 2022 eine Veranstaltung mit dem Titel ‚Health Science Research II‘ im Bereich der Gesundheitswissenschaften anbieten, die aus Vorlesung und Seminar besteht. Hier sitze ich aktuell noch an der Konzeption der spannenden Methoden aus dem Bereich der Psychophysiologie und der Neurowissenschaften, um menschliches Verhalten und Psychologie aus Gesundheitssicht zu erfassen. Ein weiterer Impuls, den ich setzen möchte, ist die Frage, wie man wissenschaftlich arbeiten kann, damit es reproduzierbar und offen ist. Die Themenschwerpunkte Open und Reproducible Science sowie Reproducibility sind mir in meiner eigenen Forschung sehr wichtig, weshalb ich gerne die Möglichkeit nutzen möchte, diese auch in die Lehre zu integrieren. Wie designe ich ein Experiment oder eine Studie und wie dokumentiere ich diese so, dass andere sie replizieren können? Das sind Fragestellungen, die man eher pragmatisch angeht, die aber sehr wichtig sind, insbesondere wenn man in großen Studien mit großen Datensätzen arbeitet.“
Und noch eine letzte Frage: Treiben Sie selbst Sport? Und wenn ja, welchen?
„Ich betreibe mit sehr viel Leidenschaft Gewichtheben und speziell Powerlifting. Das habe ich erst mit Anfang 30 kennengelernt. Ich habe mich nie als jemanden gesehen, der besonders sportlich oder besonders gut in einer Sportart ist, bis ich mit dem Gewichtheben angefangen und festgestellt habe, dass es mir unheimlich viel Spaß macht. Dabei geht es nicht nur um körperliche, sondern auch viel um mentale und psychologische Leistung. Den mentalen Fokus, den man beim Gewichtheben hat, kenne ich sonst nur aus dem wissenschaftlichen Arbeiten. Diese Sportart schafft somit einen schönen Ausgleich zu der Arbeit am Schreibtisch.“
Vielen Dank für das Gespräch!
Kontakt:
Prof. Dr. Manuel Spitschan
Rudolf Mößbauer Professur für Chronobiology & Health
Georg-Brauchle-Ring 60/62
80992 München
E-Mail: manuel.spitschan(at)tum.de
Text/Interview: Romy Schwaiger
Foto: privat